Sonntag, 20. April 2014

Henryk Broder zu den Parallelen der EU zu einer Glaubensgemeinschaft

"Die Europa-Idee weist alle Eigenarten einer Glaubensgemeinschaft auf. Es gibt eine Priesterkaste, die Brüsseler Nomenklatura, es gibt das Heer der Gläubigen, von denen freilich immer mehr desertieren, es gibt die Häretiker, die dem Glauben abgeschworen haben, es gibt Prüfungen, die bestanden werden müssen, die Zypernkrise zum Beispiel, und es gibt Opfer, die erbracht werden müssen, beispielsweise die "Beteiligung" der Sparer an der Bankenrettung oder was sonst noch so alles an Enteignungsmaßnahmen auf uns zukommt, wenn die Kredite "fällig" gestellt werden. Eine maßvolle Inflation, vor allem bei den Gütern außerhalb des offiziellen Warenkorbs, wäre da wohl das sozial Verträglichste."
Henryk Broder, Die letzten Tage Europas. Wie wir eine gute Idee versenken (Albrecht Knaus Verlag, 2013), S. 188.

Samstag, 12. April 2014

Max Webers Feststellungen zum Aufstieg der Bürokratie aus dem Jahr 1917...

"Der Bürokratisierung gehört die Zukunft .. Die Bürokratie ist gegenüber anderen geschlichen Trägern der modernen rationalen Lebensordnung ausgezeichnet durch ihre weit größere Unentrinnbarkeit. Es ist kein geschichtliches Beispiel dafür bekannt, dass sie da, wo sie einmal zur völligen Alleinherrschaft gelangt war – in China, Ägypten, in nicht so konsequenter Form im spätrömischen Reich und in Byzanz –, wieder verschwunden wäre, außer mit dem vällkigen Untergang der ganzen Kultur, die sie trug. Und doch waren dies noch relativ höchst irrationale Formen der Bürokratie: >> Patrimonialbürokratien<<. Die moderne Bürokratie zeichnet sich vor allen diesen älteren Beispielen durch eine Eigenschaft aus, welche ihre Unentrinnbarkeit ganz wesentlich endgültiger verankert als die jener anderen: die raitonale fachliche Spezialisierung und Einschulung. [...] Wo aber der moderne eingeschulte Fachbeamte einmal herrscht, ist seine Gewalt schlechthin unzerbrechlich, weil die ganze Organisation der elementarsten Lebensversorgung alsdann auf seine Leistung zugeschnitten ist. [...] Angesichts der Grundtatsache des unaufhaltsamen Vormarsches der Bürokratisierung kann die Frage nach den künftigen politischen Organisationsformen überhaupt nur so gestellt werden: 
1. Wie ist es angesichts dieser Übermacht der Tendenz zur Bürokratisierung üerhaupt noch möglich, irgendwelche Recste einer in irgendeinem Sinn "individualistischen Bewegungsfreiheit zu retten? Denn schließlich ist es eine gröbliche Selbsttäuschung zu glauben, ohne diese Errungenschaften aus der Zeit der "Menschenrechte" vermöchten wir heute – auch der Konservatiste unter uns – überhaupt leben.
2. Wier kann, angesichts der steigenden Unentbehrlichkeit und der dadurch bedingten steigenden Machtstellung des uns hier interessiernden staatlichen Beamtentums, irgendwelche Gewähr dafür geboten werden, dass Mächte vorhanden sind, welche die ungeheure Übermacht dieser an Bedeutung stets wachsenden Schicht in Schranken halten und sie wirksam kontrollieren? Wie wird Demokratie auch in diesem beschränkten Sinn überhaupt möglich sein?" 

Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft (Zweitausendeins, 1917/2008), S. 1059-1061.